Im gelben Körper

In the yellow body, 2025, Zimmermannhaus, Brugg, Switzerland,
Part of the exhibition «Off the wall» with Andy Storchenegger. To mark the 60th anniversary of the architecture and planning firm Metron, artists Rebecca Kunz (1986) and Andy Storchenegger (1980) are each creating a new, room-filling installation based on Metron’s art collection.

Fotos by Vivi Stucki

Ausstellungstext

Man legt die Schuhe ab, man betritt den weissen Teppich, auf den man sich direkt legen
möchte, in seine weiche Stabilität, sein sanftes Versprechen: Hier bist du sicher. Aber
der Teppich ist nur der Anfang, eine ausgestreckte Hand, die Tür zum Lebkuchenhaus.
Bald schon nämlich stellt sich heraus: Sicher ist (sich) hier niemand.
Es beginnt mit dem Licht. Pudriges Gelb, das von weich-vertraut, zu bedrohlich giftig
wechselt, oft mit nur der minimsten Anpassung des Blickwinkels. Es ist das Unheimliche,
das hier spricht, diese Verschränkung von heimelig und beklemmend. Verhüllungen,
denen eine schaurige Präsenz innewohnt. Wir sehen nicht unter den Tisch, wir sehen
nicht in die altmodischen Stiefel, in die Eier im Krawattennest. Wir sehen nicht, was
aus den roten Schläuchen strömt, die in den Raum hineinragen. Die uns weiter nach
hinten führen, wo ein Raum mit Plastik abgedeckt ist, dazu seltsame Flüssigkeiten in
Kanistern und ein Glas, halb gefüllt mit toten Bienen. Da ist nichts, sagt die Vernunft,
diese eigenartigen Objekte sind Hüllen, nichts weiter. What you see is what you get. Die
offensichtlichen Fragen, die sich hier auftun, lassen sich alle rasch beantworten. Unter
dem Tisch ist nichts, in den Stiefeln nicht, in den Schläuchen nicht. Und doch hängt
die Ungewissheit beharrlich wie ein dunkles Omen über Kunz’ Räumen: Was ist hier
eigentlich los?

Zimmer sind Gefässe. Sie beherbergen Menschen und Dinge, genauso wie Gedanken,
Emotionen oder Traumata. Dasselbe gilt für die Werke, die sich die Künstlerin aus der
Metron-Sammlung ausgesucht hat. Unter ihnen ein Werk mit dem Titel «gelber Körper»,
an dem sich der Titel von Kunz‘ Arbeit ausrichtet. Ein schachtel-artiges Objekt mit einer
Oberfläche, dessen Materialität und Aggregatszustand uneindeutig ist. Es gibt in seiner
Form zwar eine Funktionalität vor, bei näherer Betrachtung jedoch entzieht es sich jeder
sichtbaren Sinnhaftigkeit. Auch in den anderen Arbeiten, die Kunz gewählt hat, spielen
Behältnisse eine elementare Rolle: Eine gemalte Schüssel, Aufnahmen von Räumen,
in denen das Innen und Aussen nicht voneinander zu unterscheiden sind, und immer
wieder Frauenfiguren, von Männern erdacht und gezeichnet. Unter dem Patriarchat ist
auch der Frauenkörper ein Gefäss, es füllt hinein, was immer ihm beliebt. Eine Tatsache,
die Kunz mit bewusster Akribie unterwandert: In der Auseinandersetzung mit diesen
Fantasien hat sie das Sagen. Also nimmt sie die überdeutlichen Zuschreibungen,
extrahiert das Unaussprechliche und baut Räume daraus. Sie tragen schwere Fragen
zu Macht und Gewalt, aber machen auch sichtbar, was nicht in Worte zu fassen ist.
Ihre visionäre Kraft liegt in der Beharrlichkeit dieser so akkuraten wie uneindeutigen
Bildsprache: Wer Rebecca Kunz’ Räume einmal betreten hat, verlässt sie nicht wieder.
Sie öffnen einen inneren Raum, den keine Vernunft zu schliessen vermag. In ihm ist
Platz für das Ungewisse, die Uneindeutigkeit, den Zweifel. In unserer überformulierten
Aktualität ist womöglich genau das der Schlüssel zur Versöhnung.

Naomi Gregoris, im August 2025

Exhibition text

You take off your shoes and step onto the white carpet, which you immediately want to lie down on, with its soft stability and gentle promise: you are safe here. But the carpet is only the beginning, an outstretched hand, the door to the gingerbread house. Soon it becomes clear that no one is safe here.

It begins with the light. A powdery yellow that shifts from softly familiar to menacingly toxic, often with only the slightest adjustment of the viewing angle. It is the uncanny that speaks here, this intertwining of homely and oppressive. Veils that have an eerie presence inherent in them. We don‘t see under the table, we don‘t see into the old-fashioned boots, into the eggs in the tie nest. We don‘t see what flows out of the red tubes that protrude into the room. They lead us further back, where a room is covered in plastic, along with strange liquids in canisters and a jar half-filled with dead bees. There is nothing there, reason tells us, these strange objects are shells, nothing more. What you see is what you get. The obvious questions that arise here can all be answered quickly. There is nothing under the table, nothing in the boots, nothing in the tubes. And yet uncertainty hangs persistently like a dark omen over Kunz‘s rooms: what is actually going on here?

Rooms are vessels. They house people and things, as well as thoughts, emotions and traumas. The same applies to the works that the artist has selected from the Metron Collection. They are ruled by the invisible and its containers: a box-like object that defies meaning, a painted bowl, photographs of rooms in which the inside and outside cannot be distinguished from one another, and, again and again, female figures conceived and drawn by men. Under patriarchy, the female body is also a vessel, filled with whatever pleases. Kunz subverts this fact with deliberate meticulousness: she has the final say in the examination of these fantasies. So she takes the overly obvious attributions, extracts the unspeakable and builds spaces out of them. They raise difficult questions about power and violence, but also make visible what cannot be put into words. Her visionary power lies in the persistence of this visual language, which is as accurate as it is ambiguous: once you have entered Rebecca Kunz‘s spaces, you cannot leave them again. They open up an inner space that no reason can close. In it, there is room for the uncertain, the ambiguous, the doubtful. In our over-formulated present, this may well be the key to reconciliation.

Text by Naomi Gregoris